Pressestimmen zu "von eigenartigen helden und anderen seelendieben"

Rudolf Kraus

Von eigenartigen helden und anderen seelendieben

Zusammengetragene Texte aus den verstreuten Anfängen 1975 – 1988

Edition Doppelpunkt 2004, 73 Seiten

Der 1961 geborene Rudolf Kraus macht Inventur und konfrontiert seine Leser mit seinen Anfängen, den sehr frühen Anfängen, zurückgehend bis ins Jahr 1975. Nach gründlicher Sichtung läßt er die guten Texte in die Öffentlichkeit zwischen zwei Buchdeckel gehen, die schlechten ins Feuer.( „Möglicherweise ertönen nun Stimmen: Wären nur alle ins Feuer gegangen!") - Diese in Klammer gesetzte Bemerkung fügt er im Anhang seinen Erläuterungen zur Herkunft der Texte bei. Warum? - Gewiß nicht aus Zweifel an der Qualität seiner jugendlichen Erzeugnisse. Ohne den Glauben an diese hätte er diese Gedichte nicht so sorgfältig mit Zeit- und Ortsangaben dokumentiert und aufbewahrt. Eher hat das der „treue killer" zu verantworten, der er sich selbst schon immer war.

So früh die Texte auch entstanden sein mögen, sie tragen bereits alle Züge des Erwachsenen, der mit der Sprache sein ernsthaftes Spiel treibt. Hier ist ein Einsiedlerkrebs am Werk, der sich ein kleines, hartes, kratziges Schneckenhaus als Zuflucht und Zuhause wählt. Die Sprache ist der Raum dieses Einsiedlerkrebses, in ihr verbirgt er sich und stellt sich dar, gleichzeitig. Und die beiden Gegensätze scheinen einander die Waage zu halten.

Es ist niemals eine Schmeichel- und Wohlfühlsprache. Selbstverletzend Verletzungen vorwegnehmend preßt sie ihre Inhalte in die beklemmende Enge des kürzestmöglichen Ausdrucks. - Enge kommt von Angst. Die Angst wird nicht sprachlich dichterisch verarbeitet, sie wird dichterisch dokumentiert.

Das Schneckenhaus des ganz jungen schreibenden Einsiedlerkrebses ist noch dünnschalig und transparent. Wut, Empörung und Verzweiflung dringen durch ohne die Brechung der späteren Jahre. Mit spröder Trockenheit begegnet der Fünfzehnjährige sich selbst in scheinbarer Distanz, als wäre da immer etwas zwischen ihm und ihm. Ein wenig Genuß an der Selbstquälerei darf in diesem Alter dabei sein. Doch die Aufrichtigkeit der Form ist von Anfang an mit Entschiedenheit vorhanden. Es ist erstaunlich und beeindruckend. Und man ist in Sorge um das heranwachsende Kind, das der Autor einmal war.

Elisabeth Schawerda in Buchkritik.at


Rudolf Kraus

Von eigenartigen helden und anderen seelendieben

Edition Doppelpunkt, Wien,  2004, 76 Seiten

Der Untertitel "Zusammengetragene Texte aus den verstreuten Anfängen 1975 – 1988" sagt es bereits: wir erhalten in diesem Buch Gelegenheit mitzuerleben, wie sich die Sprache von Rudolf Kraus zu ihrer heutigen Präzision entwickelt hat, beziehungsweise erleben wir in vielen dieser - seinerzeit in verschiedenen Broschüren veröffentlichten - Texte Kraus'sche Sprachminiaturen im Vorstadium, manchmal auch bereits in Reinkultur. Der Sarkasmus von "Die satanische Ferse" und "Ich bin mein treuer Killer" ist schon präsent:

ethos

nachdem die vollstreckung / virtuos / erfüllt worden war / hemmte / ein unerschöpflicher rückstand / die verwirrte moral

Kritik an gesellschaftlichen Missständen prägt auch die früheren Texte, wobei die Aktualität leider nach wie vor gegeben ist, wie in "friede", wo auch der Zeilenumbruch die Aussage unterstreicht:

jedem ein / stück / lächelte er / und schnitt / dem frieden / das letzte / stück hoffnung / ab

oder in dem Gedicht "wohin?":

lieber gott / verzeih diesen menschen / denn sie wissen / was sie tun

Viele Kontraste bietet dieses Buch dem Leser. Zwischen der meditativen Betrachtung in "kleines reisetagebuch kreta 84" und der Daseinsangst in "einsicht" und "wunden" liegen nur wenige Seiten. Mehrere Texte befassen sich mit jenen "helden des todes", die im Abgrund ihrer Drogensucht einer "schöneren welt entgegensterben". Illusionslos nennt Kraus "könig heroin" beim Namen, ohne den Rausch zu glorifizieren, ohne aber auch die Opfer der Sucht zu verdammen.

Pharisäertum und Fanatismus nimmt Kraus gleichermaßen aufs Korn. Ein Gedicht ist dem 1600 von der Inquisition zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilten Philosoph Giordano Bruno gewidmet:

in spe

lautlos schrie er / zum himmel / aufblickend / als man ihn verbrannte

So unterschiedlich die Texte aufgrund ihrer zeitlichen und thematischen Streuung auch sein mögen, gemeinsam ist ihnen die Kompromisslosigkeit, sowie der Verzicht auf Ausschmückung und leeres Wortgeklingel.

 

Wolfgang Ratz in Literarisches Österreich

 

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