Hamzelo,
Mehrzad / Kraus, Rudolf /
Marzan,
Gorji (Hg.):
Neun
Gärten der Liebe
Zeitgenössische
persische Liebesgedichte.
Mödling:
Edition Roesner 2011.
203
S. - kt. : € 18,80 (DL)
ISBN
978-3-902300-61-4
Berühmt
und voll orientalischem
Zauber
sind die alten persischen
Gedichte
von Hafis, Rumi und
Khayam,
die durch ihre Übertragung
durch
große deutsche Dichter
und
Philosophen auch in Europa
bekannt
geworden sind und
bewundert
wurden. Die moderne
persische
Lyrik, die kaum übersetzt
und
daher auch fast unbekannt geblieben ist,
wird
im vorliegenden Band durch Gedichte in deutscher
und
persischer Sprache von neun zeitgenössischen
Dichtern
und Dichterinnen vertreten, die in
der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geboren sind.
Anfang
des vorigen Jahrhunderts gab es im Iran den
Versuch,
die lange literarische Tradition der Lyrik
zu
modernisieren und ihre starre Form und Rhythmik
zu
durchbrechen. Neue Inhalte hatten Eingang
in
die persische Poesie gefunden und Experimente
mit
neuen Strukturen wurden unternommen.
Die
hier ausgewählten Dichter haben alle ihren eigenen
Stil
gefunden. Manche von ihnen wurden als
revolutionär
angesehen und haben lange Zeit unter
dem
Schah im Gefängnis verbracht, manche flohen
nach
der islamischen Revolution und gingen ins
Exil.
Unter ihnen sind Literaturprofessoren, Juristen,
Redakteure,
Maler. Ihre Gedichte sind ausdrucksstark
und
spannungsgeladen, sie sind voll
tiefem
Gefühl, voll Melancholie und Sehnsucht,
voll
Sorge, Hoffnung und Enttäuschung. Durch ihre
Übertragung
und Nachdichtung ins Deutsche sind
das
Sinnliche und der Hauch des Orients keineswegs
verloren
gegangen.
Traude Banndorff-Tanner in der Bücherschau 2/2012
Literarisches Österreich 2011/2
Mehrzad Hamzelo, Rudolf Kraus, Gorji Marzban (Hrg.): Neun Gärten der Liebe. Zeitgenössische persische Liebesgedichte. Edition Roesner, Wien 2011.
Während die Lyrik in Deutschland über viele Epochen hinweg Zeit hatte, sich Schritt für Schritt zu entwickeln und die einzelnen Phasen sich mitunter kaum voneinander abgrenzen lassen, weil sie mehr oder weniger fließend ineinander übergingen, machte die iranische Lyrik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen beachtlichen Sprung. Jahrhundertelang war die Dichtung den klassischen Formen verschrieben, bis eine kleine Gruppe Dichter um Nima Yushidj zu Beginn der 20er Jahre begann, die Dichtung zu modernisieren. Eine beachtliche Auswahl an Liebesgedichten der wichtigsten Vertreter iranischer Lyrik im letzten Jahrhundert haben Gorji Marzban, Mehrzad Hamzelo und Rudolf Kraus in der Anthologie „Neun Gärten der Liebe. Zeitgenössische persische Liebesgedichte“ (Edition Roesner, Wien 2011) gesammelt.
Es war ein langsamer und zäher Aufbruch, den
Yushidj, der „Vater der modernen iranischen Lyrik“, und eine Handvoll
weitere Dichter damals anstießen, und es dauerte noch einmal gute zwanzig
Jahre, bis sie erste Erfolge verzeichnen konnten. Zwar tobte der
Feuilletonkrieg zwischen Traditionalisten und Modernisierern weiter, aber die
Modernisierer gewannen die Leser zunehmend für sich. Sie lösten die
Lyrik aus den starren traditionellen Formen, verzichteten zunehmend auf den
Reim, führten erstmals die Alltagssprache in die Dichtung ein und erneuerten
auch die Metaphernwelt, die bis dahin zumeist mittelalterlichen Motiven
verpflichtet gewesen war. Allerdings hieß das nicht, die Wurzeln zu
verleugnen. Die großen persischen Klassiker – Hafis, Rumi, Chayyam,
Ferdousi, Nizami, Saadi – sind in der Lyrik bis heute präsent, indem auf
sie angespielt wird, Formen und Motive von ihnen übernommen werden. Auch die
alten Gedichtformen der Ghazelen und Rubayat finden sich bis heute.
„Neun Gärten der Liebe“ versammelt die wichtigsten Vertreter dieser
Modernisierung. Nima Yushidj, Ahmad Shamlou, Sohrab Sepehri, Mehdi
Akhawan-Sales, Siavash Kasrai, Nader Naderpour, Fereidoun Moshiri, als einzige
Frau selbstverständlich Forough Farrokhsad und, vielleicht die einzige Überraschung
in dieser Auswahl, Geyssar Aminpour, der leider heute noch viel zu selten in
einem Atemzug mit den anderen Größen genannt wird, obwohl er ihnen ebenbürtig
war.
Obwohl das Mengenverhältnis stellenweise verwundert (Forough ist mit dreizehn
Gedichten vertreten, Moshiri und Nima jeweils nur mit einem), gibt die
Anthologie doch einen interessanten Einblick in das Wirken dieser Dichter, und
indem sie die deutsche der persischen Fassung gegenüberstellt, lassen sich
auch die Grenzen der Nachdichtung nachvollziehen. Denn obwohl die Übersetzungen
ambitioniert sind, sind sie doch letztlich nur eine Annäherung an die
Originale. An einigen Stellen wurde zugunsten des Inhalts darauf verzichtet,
Reimschema und Versmaß zu übernehmen, und der klangliche Fluss der
persischen Sprache lässt sich im Deutschen unmöglich wiedergeben. Umsomehr
tritt die Bildwelt der vorliegenden Dichter zutage, die natürlich eine sehr
andere als die der gegenwärtigen Lyrik hierzulande ist.
In der klassischen persischen Lyrik dominieren vor allem Naturthemen, die
Natur wurde aber auch schon bei Hafis zum symbolischen Vehikel für politische
und gesellschaftliche Aussagen. So steht beispielsweise die Morgenröte
(bamdad, ganz nebenbei auch Shamlous Pseudonym) für den (politischen)
Neuanfang, der Gesang eines Vogels kann für ein Liebesmotiv stehen oder für
die Sehnsucht nach Freiheit. Derartige Bilder finden sich reihenweise auch bei
den Modernen, vieles ist aber auch sehr direkt. Forough war die erste
Dichterin, die ohne Umwege die Sehnsüchte und Bedürfnisse einer Frau lyrisch
zur Sprache brachte und auch unmissverständliche Erotik nicht scheute: „Die
Last seiner Schatten spendenden Wimpern / Wie der Faden eines Seidenvorhangs /
Floss aus der Tiefe der Dunkelheit / Entlang des langen Schenkels des
Verlangens“.
Überhaupt mag den westlichen Leser die Menge an erotischen Sprachspielen in
diesen Liebesgedichten überraschen angesichts der Tatsache, dass die Zensoren
der Islamischen Republik alles Körperliche aus der Literatur verbannt
haben. Tatsächlich wurden vieler der hier präsentierten Texte nach 1979
verboten. Aber, wie Siba Shakib so treffend im Nachwort schreibt: „Der
Stift, das Papier, der Computer werden unsere Waffe; unsere Worte werden zum
Widerstand; wir, die Künstler, zu Verfolgten. Die LyrikerInnen, denen im
vorliegenden Band Raum gegeben ist, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen,
ihr Wort zu kennen und es zu sprechen, es zu besitzen und zu verbreiten, ist
Widerstand, ist Kampf. Kampf für Unabhängigkeit, für Freiheit, für
Demokratie“.
Ohnehin scheint momentan eine gute Zeit für iranische Literatur zu sein.
Immer mehr wird übersetzt, ins Englische, Französische, Deutsche, und dabei
nimmt auch die Zahl der Lyrikveröffentlichungen, zu, wenn auch die Anzahl an
Anthologien mit moderner iranischer Lyrik nach wie vor überschaubar ist.
„Neun Gärten der Liebe“ ist jedenfalls ein guter und lohnenswerter
Einstieg für interessierte Leser, die sich mit der iranischen Lyrik des 20.
Jahrhunderts näher befassen möchten.