Von
dem in Wien lebenden Autor, Kritiker und Bibliothekar, Jahrgang 1961, gibt es
schon einiges an veröffentlichter Lyrik und Kurzprosa. Ein neues Bändchen
versammelt Kurzgeschichten, Miniprosa und eine Druckseite lange Szenen,
Dramolette genannt. Zwei originelle Kriminalgeschichten, die eine in Paris
spielend, die andere wahrscheinlich in Wien ("Paris – Blanche",
"Die Falle"), möchte ich herausfischen aus dem Sammelsurium und mein
Vergnügen darüber äußern.
Von den "Dramoletten" finde ich jenes am besten, das mit dem Götz-Zitat
endet ("Streit"). 20 "Kopfnachrichten" (Kürzestprosa,
jedoch leider keine Aphorismen) bieten oft recht verquere Kopfstände, am
witzigsten Nr. 18 über Paradeiser und Nr. 20 über das Bundesheer. Eine
skurrile Bibliotheksgeschichte ("Maldorors Lied") zerrt den
vergessenen Dichter Comte de Lautréamont, der 1870 23-jährig in völliger
Armut in Paris gestorben ist, ans Licht.
Am stärksten ist Rudolf Kraus in jenen Geschichten, in denen er seine niederösterreichischen
Wurzeln ausschlagen lässt ("Viesing", "Des Pechwalds finsterer
Morgen") und die einen sozialkritischen Anflug zeigen. In letzterer
Geschichte heißt es: "Wenn die Sonne über den waldbehangenen Hügeln
stand und die Piesting sich glitzernd durch das Tal schlängelte, dann wurde es
warm in Großvaters Herzen. Er spürte seine Wurzeln und wusste, nur hier werden
sie einst in der Erde ruhen". Das kling eine Spur kitschig und auch wieder
echt. Dazu passen die Umschlag-Grafiken der knochigen Hände in der
Janker-Spange von K. G. Schönthaler.
Vielleicht schreibt Kraus einmal einen sozialkritischen Heimatroman aus dem
Niederösterreichischen?
Frithjof Kammerer
in
der Bücherschau
Rudolf Kraus
Hoamat Strange Homeland
Heimatliche Stories und befremdliche Prosa. mit Grafiken von K. G. Schönthaler
Edition Doppelpunkt 2001. 90 Seiten. ISBN: 3852731240. € 13,80 [D]
Fast alle Texte in dem Buch sind sehr kurz, meist nur 1-4 Seiten lang. Oft handeln sie vom Leben und Aufwachsen am Land. Schwankend zwischen Idylle und Drang in die Freiheiten und Wunder der weiten Welt, die von der nächstliegende Kleinstadt repräsentiert wird. Das trifft besonders auf „Viesing“, den mit 15 Seiten längsten Text, zu. Hier wird in sehr komprimierter Form eine Biografie von der Geburt bis zum „ersten Mal“, nicht ohne ab und zu aufblitzende Ironie, erzählt.
Das Gegenstück sind die so betitelten 20 „Kopfnachrichten“ am Ende des Buches. Zwischen ¼ und ½ Seite kurz, sind es zu Papier Gedankensplitter des Autors, wie kurz vom Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos erfasste Gegenstände oder Personen.
Insgesamt schreibt Rudolf Kraus über verschiedenste Personen, Nostradamus ist dabei ebenso vertreten, wie der Teufel oder angesichts tobender Kinder aggressiv werdende Erwachsene oder eine bösartige Nachbarin. Auch sehr kurze Szenen zwischen 2 Personen, sogenannte
Dramolette, finden sich. Ein Konglomerat aus kurzen und kürzesten Texten, verschiedenster Themen und Stilmittel. Rudolf Kraus ist in erster Linie Lyriker und das macht sich auch bei seiner Prosa bemerkbar.
Alfred Ohswald in Buchkritik.at
Wolfgang Chesnais, Büchereien Wien